SSL BREEZE GRANDSLAM
Star Sailors League Breeze Grand Slam / Europameisterschaft Gardasee
Nach nun drei Jahren Starbooterfahrung wurde es für Kristian und mich Zeit, mal ein großes Event zu segeln. Bei der Regattaplanung im Winter fiel uns sofort eine ganz besondere Veranstaltung im Mai 2019 ins Auge. Der Star Sailors League Breeze Grand Slam sollte im Rahmen der Europameisterschaft am Gardasee ausgetragen werden. 100.000 $ Preisgeld sollten 100 der weltbesten Segler nach Italien locken. Für uns, die bisher nur auf den kleinen Teichen in Deutschland unterwegs waren, definitiv ein sehr ambitioniertes Ziel.
Trotzdem stand bereits Anfang Januar fest, dass wir die 1200 km weite Reise an den Gardasee antreten werden. Bis dahin gab es noch viel zu tun. Nachdem ich bei der letzten Regatta des Jahres in Hamburg einen Crash verursacht hatte, klaffte noch ein 10cm großes Loch am Bug der Matchbox.
Außerdem mussten noch jede Menge Leinen an Board getauscht und größere Übersetzungen in Strecker und Trimmleinen eingebaut werden, schließlich ist am Gardasee in der Regel mit sehr viel Wind zu rechnen. Dementsprechend mussten wir uns auch selber mit einem ausgeprägten Kraft und Ausdauertraining auf die harten zu erwartenden Bedingungen vorbereiten. Seglerisch wurden wir von unserem Trainer Jochen Borbet beim Training der Essener-Flotte in Heeg in gute Wettkampfverfassung gebracht.
Dann ging es endlich los! Am Freitag den 10.05. machten wir uns nach der Arbeit auf den Weg und kamen am nächsten Morgen in Riva del Garda an. Jetzt hatten wir noch vier Tage Zeit das Boot und die Segel vermessen zu lassen und alle nötigen Werbeaufkleber und Bugnummern zu montieren. Natürlich stand auch noch ein wenig Training auf dem Programm, um uns an die Starkwindbedingungen zu gewöhnen.
Die ersten beiden Trainingstage fielen mangels Wind am Samstag und wegen viel zu viel Wind am Sonntag leider aus. Montag ging es dann zum ersten Mal aufs Wasser. Das Sturmtief sollte eigentlich bereits durch sein – war es aber wohl noch nicht ganz – denn kurz nachdem wir aus dem Hafen raus waren, wurden wir von einer 30 Knoten Windböe erfasst und surften (kurz vorm Kontrollverlust) in voller Gleitfahrt den See herunter. Nach ca. 4 km gingen wir auf die Kreuz und wurden erstmal komplett geduscht.
Da Training bei diesen Bedingungen keinen Sinn gemacht hätte und wir unser Material schonen wollten, entschieden wir uns nach 45 Minuten, wieder reinzufahren und nachmittags nochmal rauszugehen.
Am Nachmittag trainierten wir mit einigen Holländern dann ca. drei Stunden und waren danach froh, dass wir so gut mithalten konnten.
Am Dienstag sollte dann um 13:00 Uhr das Practicerace stattfinden. Endlich schien die Sonne, nur der Wind war noch nicht so richtig wach. Wir entschieden uns gegen einen ungemütlichen Neoprenanzug und wollten lieber in kurzer Hose segeln. Auf dem Weg zum Boot schauten wir nochmal auf den See und sahen nur spiegelglattes Wasser. Als wir eine Minute später am Boot eintrafen, war es, als hätte jemand das Fenster geöffnet. Die Ora schlug mit voller Macht ein. 30-35 Knoten Wind ließen uns wieder über den Neoprenanzug nachdenken und die Wettfahrtleitung eine Startverschiebung veranlassen.
Als eine halbe Stunde später das Signal zum Rausfahren kam, taten dies lediglich 20 Boote von den 96 gemeldeten und wir entschieden uns ebenfalls im Hafen zu bleiben. Zwei Crews verloren an diesem Tag auch gleich ihren ersten Mast.
Abends bei der Opening Ceremonie zogen die 23 Nationen hinter Ihrer Nationalflagge auf den Marktplatz von Riva. Hier wurden die 30 prominentesten Segler vorgestellt. 19 olympische Medaillen, 23 Starbootweltmeister, 11 Weltmeister in anderen olympischen Bootsklassen, ein Volvo Ocean-Race- und Louis Vuitton Cup Gewinner sowie viele weitere Spitzensegler aus verschiedenen Bootsklassen wurden aufgerufen. Unter anderem Robert Scheidt, Paul Cayard, Lars Grael und Freddy Lööf. Es stellte sich für uns die ernsthafte Frage, was wir bei dieser Veranstaltung eigentlich zu suchen hatten.
Nach einem köstlichen Piadina und 3 Cappuccini ging es raus aufs Wasser zum ersten Rennen. Die größte Herausforderung war es mit 96 Staren unfallfrei aus dem Hafen rauszukommen. Der Wind blies kräftig aus Süden. Durchschnittlich 20 Knoten machten das Raussegeln zu einer nassen Angelegenheit. Endlich an der Startlinie angekommen, wurden wir von dem Anblick der 96 Stare überwältigt. Ich bin schon viele große Regatten gesegelt aber so ein schönes Bild habe ich noch nie gesehen. Es kam einem so vor als wären die roten Sterne in der Minderheit. Überall nur goldene- (Weltmeister), silberne- (Europameister) oder blaue Sterne (Distriktmeister).
Unsere Strategie für das erste Rennen war schnell klar. Nach dem Start nach rechts an die Felswand um dort von Windbiegungen und erhöhter Windstärke zu profitieren. Also starten wir auf der rechten Seite und legten schnellstmöglich auf Steuerbord um. Leider taten das die anderen auch und segelten dabei höher und schneller als wir. Dementsprechend groß war die Frustration als wir im hinteren Mittelfeld an der Luvtonne ankamen. Vor dem Wind konnten wir uns im weiteren Rennen wieder ein bisschen nach vorne arbeiten aber auf der Kreuz verloren wir regelmäßig Plätze. Das zweite Rennen verlief trotz super Start ähnlich wie das Erste und so lagen wir nach dem ersten Tag auf Platz 54.
Am zweiten Tag hatten wir bei ähnlichem Wind mit schlechten Starts und zu wenig Höhe auf der Kreuz zu kämpfen. Nach fünf Stunden auf dem Wasser und zwei Läufen bei sehr viel Wind waren wir völlig erschöpft und mussten beim Zieldurchgang feststellen, dass der Wettfahrtleiter noch einen dritten Lauf segeln wollte. Der Wind frischte nochmal auf und die Oberschenkel brannten. Auf der letzten Vorwindstrecke brachen dann vier Masten und es wurden jede Menge Sonnenschüsse gefahren. Auch uns erwischte es fast bei der Halse ins Ziel. Deshalb fuhren wir nach dem Zieldurchgang lieber eine Kuhwende, um in den Hafen zu gelangen und das Material zu schonen.
Am Abend beim traditionellen Trentino Dinner waren wir völlig ausgelaugt. Zum Glück war für den nächsten Tag leichter Wind angesagt.
Und so kam es auch. Am Freitag segelten wir nur ein Rennen bei leichten bis mittleren Winden aus Süden. Nach einer Runde lagen wir auf Platz 21 und kämpften mit Goldsternen wie Paul Cayard und Xavier Rohart, um die Platzierungen im vorderen Mittelfeld. In dem Lauf erzielten wir mit Platz 33 unser bestes Ergebnis der Regatta.
An den letzten beiden Tagen hatten wir richtig schlechtes Wetter mit viel Wind aus Norden, welcher eigentlich die linke Seite begünstigte aber auch stärkere Winddreher verursachte. Die neuen Bedingungen machten es für uns mit unterlegener Höhe auf der Kreuz nicht leichter, da wir nicht mehr so frei segeln konnten wie in den Tagen zuvor. Somit kamen nur noch Resultate in den 60ern heraus.
Unterm Strich landeten wir auf Platz 64 und sind damit nicht unzufrieden. Schließlich segelten wir in dem stärksten Feld, in dem wir je teilgenommen haben.
Mit etwas mehr Training, besserem Material und weniger als 35 Kg Untergewicht wäre eventuell ein Platz unter den Top 50 möglich gewesen.
Es war eine tolle Erfahrung gegen Legenden des Segelsports zu segeln. Wir haben dabei sehr viel gelernt. Bei Starkwind sind wir nun definitiv abgehärtet und beherrschen den Star viel besser. Wir sind stolz, dass wir das Boot und insbesondere den Mast wieder heil mit nach Hause gebracht haben. Schließlich haben wir bei den anderen über zehn Masten zu Bruch gehen sehen. Selbst einige Goldsterne sind davon nicht verschont geblieben.
Das Rahmenprogramm war gigantisch. Jeden Tag nach dem Segeln gab es Drinks und Tapas bei der After-Sail-Party. Trentino Dinner und Eröffnung Ceremonie waren vom Allerfeinsten.
Ich freue mich schon auf das nächste Star Sailors League Event! Es war die mit Abstand professionellste Regatta an der ich je teilgenommen habe.
Viele Grüße
euer Martin